Persönliches Statement der Fotografin Roswitha HECKE (als Hintergrundinformation)
"Als ich Irene sah, dachte ich an Baudelaire. Ich erinnerte mich an seine Äußerungen über die 'Wesenszüge des Weibes'. Es sind boshafte Wutschreie über ihre Verderbtheit, Schamlosigkeit und Schönheit. Für mich verbirgt sich dahinter Sehnsucht. An die Liebe wollte Baudelaire nicht glauben. Er war viel zu mißtrauisch. Er wollte sie wohl überlisten, indem er sie witzig und sarkastisch angreift. Aber hinter jeder Bemerkung spüre ich die Wunde.
In Irene erkenne ich das Modell seiner agressiven Phantasie; soie hätte ihm genügend Angriffsflächen für seine Haßliebe geboten. Irene gehört nicht zu den Frauen, die auf diese Bissigkeiten betroffen reagieren. Sie fühlt sich herausgefordert.
Das Weib ist natürlich, das hei´ßt abscheulich.' Schon als empfindlicher Teenager gefiel mir das. Dieser Satz ist auf die gleiche Weise eine Übertreibung wie Irene eine ist, eine wollüstige Künstlichkeit. Sie merkt, daß der Unterschied zwischen Mann und Frau nicht nur erkennbar bleibt, siondern spannend, erotisch. Sie will schön sein, eine Frau sein, frei sein. Sie sit direkt und launisch wie ein Kind. Sie liebt den Flirt mehr als die ehe. Spannung mehr als Harmoie. Sehnsucht mehr als Befriedigung. Und Distanz mehr als Berührung. Mit aller Konsequenz lebt sie ihr Leben danach.
Etwas so Begehrenswertes wie Irene bleibt selten lange auf der Straße, sie wird weggeholt, entweder von Regisseuren (nach dem Motto: 'Baby, aus Dir mach ich 'nen Star!') oder den Anträgen reicher Männer. Nun, in ihrem Fall hatten sie bis heute keine Chance gehabt. Sie braucht das klack klack ihrer Pfennigabsätze auf dem Pflaster wie das Schlagen ihres Herzens. 'Lieber Bahnhofsnutte als Callgirl!' Denn sie liebt ie Straße, die Unabhängigkeit - und den Luxus, ein Star zu sein, jeden Tag, jede Nacht, gekürt von niemand anderem als sich selbst-" (Roswitha HECKE, in der Einleitung zu 'Liebes Leben')
Inhalt
Der Fotoband 'Liebes Leben. Bilder mit Irene' von Roswitha HECKE besteht aus vierundneunzig Schwarz-Weiß-Aufnahmen ,die den Alltag der Strassenprostituierten Irene dokumentieren. Die Fotografien haben einen reportagehaften Charakter und scheinen ungestellt. Größe und Anordnung wechseln ständig, Serien sind im gleichen Format wiedergegeben. Da jegliche Informationen fehlen, wo die Aufnahmen entstanden sind, kann nur vermutet werden, dass sie teils in Deutschland, teils in Italien (Rom?) gemacht wurden. Da das Buch 1978 erstmals verlegt wurde, sind sie wohl Mitte der 1970er Jahre entstanden.
Zusatzinformation
Der vergriffene Bildband 'Liebes Leben. Bilder mit Irene' der deutschen Fotografin Roswitha HECKE ist 1978 in zwei Auflagen erschienen: als Hardcover-Buch mit Schutzumschlag im Rowohlt Verlag sowie broschiert bei Rogner & Bernard, exklusiv angeboten in den Zweitausendeins Buch- und Plattenläden.