Hintergrundinformation
"Weltweit definieren sich Menschen erneut durch ein altes Phänomen: Nationalstaaten. Die Nation als Heilsbringer in einer komplexen Welt, der eigene Staat wird glorifiziert und setzt andere Nationen in einer imaginären Hierarchie herab. Geschichtlich gesehen sind Nationalstaaten eine junge Erscheinung. Erst seit der Französischen Revolution haben Menschen nach Identität in Sprache, Grenzen und Nation gesucht. Davor herrschten Könige über eine Vielzahl von Ländern und Völkern. In ihrem Hoheitsgebiet wurden viele Sprachen gesprochen und die Bevölkerung gehörte verschiedenen Religionen an. Im Absolutismus hielt der König das Volk zusammen. Neue politische Ideen und wirtschaftliche Produktionsansätze erforderten neue Identifikationsmechanismen. Sprache, Rasse und Grenze bildeten nun eine Nation. Es entstanden nationale Mythen, die diese neue Definition des Staates historisch begründeten. Die Deutschen nutzten den Krieg gegen Frankreich 1871, ein deutscher König wurde zum Kaiser proklamiert – obwohl Deutschland 1815 noch aus mehr als 39 Staaten bestand, die sich zum Deutschen Bund vereinigten. Die neuen Staaten des Westbalkans verwendeten ähnliche Ansätze, um ihre nationale Identität zu definieren. Einige bauten pseudogeschichtliche Gebäude und Skulpturen, um die historische Existenz ihrer Nationen zu unterstreichen, andere verwendeten Religion und Neuinterpretationen historischer Momente auf dem Balkan, um ihren Glauben an das Recht auf Dominanz über die anderen Nationen zu untermauern. Von außen betrachtet sieht es aus wie eine Mimikry von häufig verwendeten Mustern für den Aufbau von Nationen – es sieht aus wie 'Play Life'. Der Balkan ist seit Jahrhunderten multikulturell geprägt. Die
unterschiedlichen Dynastien gingen tolerant mit dem Mix aus Religionen,
Sprachen und Traditionen um.
Erst seit dem Zusammenbruch der Jugoslawischen Republik haben
nationalistische Kräfte die marginalen Unterschiede als
Separationsmuster etabliert. Gravierendstes Beispiel einer
Nationalistischen Umdeutung ist die Sprache. Serbokroatisch ist seit 18.
Jahrhundert eine Sprache mit einem grammatikalischen System. Nach dem
Zerfall Jugoslawiens entwickelten die Nachfolgestaaten aus politisch
motivierten Gründen neue Bezeichnungen: Kroatisch, Serbisch, Bosnisch
und Montenegrinisch. Diese kann man Sprachwissenschaftlich nicht als
voneinander unabhängige Sprachen definieren. Vielmehr handelt es sich um
leicht voneinander abweichende Realisierungen einer Makrosprache und
somit de facto um dasselbe Sprachsystem – Serbokroatisch.
Inhalt
Die Farbfotografien im Fotoband 'Play
Life. Neighbors in the Western Balkans' von Dirk GEBHARDT zeigen
scheinbar beiläufige Alltagssituationen, doch warum steht 15 Jahre nach
dem Kosovo Krieg immer noch das zerstörte Verteidigungsministerium in
Belgrad? Warum stehen in Skopje über 2000 neue Denkmäler?
Von 2009 bis 2017 hat Dirk GEBHARDT die subtilen Symbole des Nationalen im Straßenbild der Hauptstädte, Pristina (Kosovo), Belgrad (Serbien), Skopje (Nord Mazedonien)und Sarajevo (Bosnien und Herzegovina) gesucht." (etwas angepasster Text, für das Original gilt: © Slanted,
2019)
Über den Fotografen, Dirk GEBHARDT
Fotobücher von und mit Beteiligung von Dirk GEBHARDT
- Buchgestaltung
- Lars HARMSEN
- Format
- HC (no dust jacket, as issued), 15 x 21,5 x 1,5 cm., 120n pp., 58 color ills., text language: English, Ltd. to 500 copies