Die von mir in diesem Beitrag verwendeten Fotografien sind urheberrechtlich geschützt, sie stammen von den folgenden Fotografen: Wolfgang ELEMS (1), Ursula KELM (2), Michael SCHMIDT (3), Ulrich GÖRLICH (4), Gundula SCHULZE ELDOWY (5)
Hintergrundinformation
"Dies ist die erste ausführliche Darstellung von Geschichte, Einflüssen und Wirkungen der Werkstatt für Photographie, die 1976 vom Berliner Fotografen Michael SCHMIDT an der Volkshochschule Kreuzberg gegründet wurde.
In jenen Jahren entstanden in Westdeutschland Strukturen, die der Emanzipation der Fotografie als Kunstform den Weg ebnen sollten.
Dazu gehörten neben der 'documenta 6' (1977) die ersten Fotogalerien und Fotografie-Magazine wie auch einige bahnbrechende Ausstellungen.
Eine zentrale Rolle in dieser Entwicklung spielten die Städte Berlin, Hannover und Essen.
Zu jener Zeit durchlief das Medium Fotografie einen grundlegenden Wandel, es entwickelte sich eine eigenständige Form künstlerischer Autorschaft im Bereich des Dokumentarischen. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt diese Publikation die Geschichte der deutschen Fotografie der 1970er- und 80er-Jahre mit ihren internationalen Bezügen, ihre Protagonisten und Netzwerken und fügt ihr ein weiteres, bisher in der Geschichtsschreibung wenig beachtetes Kapitel hinzu." (© Verlag der Buchhandlung König, 2016)
"Dieses Stück Fotografie-Geschichte konnte sich so nur im West-Berlin des kalten Krieges zutragen. Nur im Schatten des historischen Meteoriteneinschlags 'Mauerfall' in Vergessenheit geraten. Um nun, 30 Jahre nach dem Ende, mit gleich drei zusammenhängenden Ausstellungen wiederentdeckt zu werden. Und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die deutsche Fotografiegeschichte jetzt nicht nur ergänzt, sondern eigentlich umgeschrieben werden muss. Aber von Anfang an. Berlin/West 1976. Michael SCHMIDT, Ex-Polizist und als Fotograf Autodidakt, gründet die Werkstatt für Photographie an der Volkshochschule Kreuzberg. Was er anbot, war kein üblicher Technikkurs. Es war ein mehrstufiger Seminarplan. Eine Kunsthochschule ohne Hochschule.
'Es ging in der Werkstatt für Photographie darum, ein Verhältnis von sich zur Welt in Bildern zu formulieren' (© Thomas Weski).
Thomas Weski ist einer der vier Kuratoren der drei Ausstellungen. Und selbst ehemaliger Gasthörer der Werkstatt in Wochenendseminaren. 'Ziel war, dass die Teilnehmer ihre Persönlichkeit ausbilden und einen eigenen fotografischen Zugang zur Wirklichkeit finden. Das ist ein hoher Anspruch'. Der Fotograf als Autor. Das lehrte SCHMIDT bereits 1976. Theoretisch formuliert wurde diese künstlerische Haltung erst 1979 von Klaus Honnef.
Um die Bedeutung dieses Anspruches richtig einschätzen zu können, sagt Weski, muss man sich die damalige Situation vergegenwärtigen. In den Museen galt Fotografie nicht als gleichberechtigte künstlerische Ausdrucksform. Es gab für sie nur 41 Ausstellungsorte europaweit und in Berlin keine Möglichkeit, Fotografie zu studieren.
Und da kommt dann Michael SCHMIDT, zu der Zeit bereits anerkannter Künstler und bietet eine Art antiautoritäres Studium an – es ist die Zeit der Hausbesetzungen. An der VHS. Für jedermann.
In den zehn Jahren gab es rund 2500 Teilnehmer jeder Vorbildung. Doch die künstlerische Grundhaltung der Kurse sprach sich deutschlandweit rum. Und so kam es, dass bald Studenten, Fotografen und Künstler die VHS Kreuzberg besuchten. Um Schmidt, der schon 1977 aus der Leitung der Werkstatt ausschied, hatte sich schnell ein Team gebildet, das weiter machte: Ulrich Görlich, Wilmar Koenig, Klaus-Peter Voutta.
Sie beginnen, Fotografie-Ausstellungen zu zeigen. Wilmar knüpft Kontakte in die USA, lernt dort zufällig Larry CLARK kennen. Und so kommen eine Dynamik in Gang: Larry CLARK, Robert ADAMS, Diane ARBUS, William EGGLESTON, Larry FINK, John GOSSAGE, Robert FRANK und Stephen SHORE stellen an der VHS Kreuzberg aus.
Ihre Arbeiten hängen dort auf dem Flur an Strippen in billigen Wechselrahmen und unter handelsüblichen Neonröhren. Und die amerikanischen Ikonen der Fotografie des 20. Jahrhunderts gaben in der Werkstatt Workshops. Ein Hammer. Allerdings waren sie – Thomas Weski rückt die Relationen zurecht – zu der Zeit eben noch nicht populär.
Hilfe bei diesem transatlantischen Austausch kam vom Galeristen Rudolf Kicken – und vom Amerika Haus. Dessen damaliger Leiter Jörg Ludwig förderte diese Luftbrücke, lud die amerikanischen Fotografen in sein Haus ein, machte dort Parallelausstellungen, bezahlte Flugtickets. Man kann durchaus von einer Querfinanzierung sprechen.
Nun ist die Fotografie-Stiftung 'C/O Berlin' im Amerika Haus, rekonstruiert dessen Geschichte – und die, glücklicher Umstand, der Werkstatt. Was wohl zu einer Neujustierung der Fotografie-Geschichte in Deutschland führen wird.
Denn die Zusammenarbeit zwischen der Werkstatt und den Ikonen der amerikanischen Fotografie war kein Kuriosum.
Die Arbeiten, die dabei entstanden, muss man man als eigenständige Schule beschreiben. 'Bislang hatte man sich bei der künstlerischen Fotografie vor allem auf die Becher-Schule in Düsseldorf konzentriert. Doch die Fotografie-Geschichte in Deutschland ist viel komplexer, als wir sie bisher wahrgenommen haben' (© Felix Hoffmann). Hoffmann ist Chefkurator bei C/O und bereitet dort die Ausstellung 'Werkstatt für Photographie 1976–1986. Kreuzberg – Amerika.' vor.
Diese ist Teil des groß angelegten Unterfangens, mit drei Ausstellungen diese Phase der deutschen Fotografie-Geschichte dem Vergessen zu entreißen (Google spuckte fast nichts zum Thema aus).
'C/O Berlin', das 'Museum Folkwang Essen' und das 'Sprengel Museum' in Hannover werden zeitgleich die Geschichte, die Einflüsse und die Auswirkungen der Werkstatt für Photographie rekonstruieren. Sie damit erstmals in ihrer Bedeutung zeigen. Und sie als gleichwertig neben die Düsseldorfer Becher-Schule zu setzten. Schüler von Bernd und Hilla BECHER sind Andreas GURSKY, Thomas RUFF, Peter STRUTH, Candida HÖFER.
Michael Schmidt, 2014 verstorben, gehört zu den ganz großen unter den deutschen Fotografen.
Doch Leute wie Gosbert ADLER, Ulrich GÖRLICH, Uschi BLUME, Hildegard OCHSE, Friedhelm DENKELER und Ursula KELM sind zu entdecken.
Noch kann man nur den Katalog einsehen. Doch der verspricht, dass wir in der Ausstellung fotografische Positionen entdecken werden, deren konzeptioneller Ansatz, radikaler Autorenbegriff, deren Weltsicht einer subjektiven Sachlichkeit einen ganz eigenständigen visuellen Kosmos aufmachen.
Wer die aktuelle Wirkmächtigkeit der Werkstatt sehen möchte, der schaue sich die Arbeiten von Tobials ZIELONY, Sven JOHNE, Annette KELM, Viktoria BINSCHTOK oder Laura BIELAU an.
Über die beteiligten Fotograf:innen
Fotobücher der beteiligten Fotograf:innen
- Hrsg./Autor(en)
- Ute Eskildsen, Carolin Förster, Christine Frisinghelli, Virginia Heckert, Klaus Honnef, Jörg Ludwig
- Format
- English ed., HC (no dust jacket, as issued), 24 x 27 x 5 cm., 392 pp., 225 ills. (150 in color) partly full-/double-paged, text language: English