"Die Bilder sind in Sierra Leone entstanden – jener westafrikanischen Republik, die einen jahrelangen brutalen Bürgerkrieg erlebte, von dem sie sich bis heute nicht wirklich erholt hat, (...).
Kim THUE, der eine Dokumentation über ein wiedereröffnetes Krankenhaus in Freetown fertigen soll, hadert mit der eigenen, stereotyp empfunden Bilderproduktion über die Armut in Afrika.
In der verbleibenden Freizeit streift er immer wieder durch die Hauptstadt, bis er in ein hermetisches Slumviertel namens 'Big Wharf' gerät, in dem vor allem junge Menschen,
arbeitslos und ohne Perspektive, stranden, um sich mit Kleinkriminalität, Drogen und Prostitution über Wasser zu halten (...), fast gleichmütig arrangieren sich die Bewohner mit der vorgefundenen Situation.
In den stolz vorgetragenen Posen der Porträtierten nimmt man jene 'gangster attitude' wahr, die diese aus Musikvideos und Filmen kennen und imitieren.
Für Kim THUE wird es nicht gefährlich, weil er nicht als Eindringling empfunden wird. Die Leute sind eher neugierig, warum sich ein weißer Europäer für sie interessiert.
Überrascht von der entwaffnenden Offenheit, die ihm die jungen Menschen schließlich entgegenbringen, entledigt er sich aller fotografischen Konventionen und führt uns in einer düsteren S/W-Fotografie
die vermeintliche Apokalypse als einen rauen, poetischen Ort vor, ohne irgendwelche Klischees zu bedienen und moralische Wertungen eines eurozentrisch geprägten Geists vorzunehmen. (...).
Die Erzählweise des aus Dänemark stammenden Fotografen "ist hart realistisch, um sich immer wieder ins Rätselhafte zu verkehren und jegliche Erwartungen auszuhebeln.
Als Betrachter ist man nie sicher, was da genau vor sich geht. So ist es auch Teil des Konzepts, dass der Fotograf auf jegliche Titel und Anmerkungen verzichtet, um uns im Diffusen zu belassen.
Hier ein Schlangenbeschwörer, dort ein junger Mann, der ein Kruzifix schwingt. (...) Mitten auf einer Kreuzung liegt ein Junge ausgestreckt. Gespielte Pose oder ernsthafter Sturz?
Dann eine halbnahe Einstellung: jemand, dessen Gesicht und Oberkörper aus dem Bild herausragt, hält eine Machete, wenig später dieselbe Unterperspektive auf eine weitere anonyme Person, die eine riesige, schlecht verheilende Narbe am Bein präsentiert.
An dieser Stelle ein tiefes Durchatmen. Ein Adler, gefangen, die Flügel mit schweren Steinen fixiert. Und schließlich das Bild eines Kindes mit einer Wollmaske, dessen starrer Blick uns durchdringt.
Immer wieder rückt Kim THUE den Leuten ganz nah auf den Leib, müde ist der Ausdruck der Gesichter, zuweilen auch herausfordernd.
Ein Bild zeigt die tätowierte Hand des Fotografen, die in die Szene reicht. Vor sich hat er eine junge Frau, die halbnackt auf dem Bett sitzt und die Augen geschlossen hält.
Und wieder die Undurchschaubarkeit der Situation: völlige Selbstversunkenheit, erotische Koketterie?
Dem sorgfältig gestalteten Buch gelingt es in außergewöhnlicher Weise, aus Kim Thues Material eine atmosphärische Dichte zu formen, um den Betrachter so in einen unerbittlichen Sog des Geschehens hineinzuziehen.
Porträts und Straßenszenen verweben sich zu einem ganz eigenen Sound: Der ist düster, wild, abgründig!" (© Peter Lindhorst)
- Format
- HC, 24,5 x 19 cm., 96 pp. + 12 interview pp., 62 ills., Ltd. to 1,000 numb. copies, English