AUCH ALS NORMALE AUSGABE VORRÄTIG!
Persönliches Statement der französischen Fotografin Julie GLASSBERG im Interviewformat
"Wie kam es zu dem Projekt 'Bike Kill'? Wie sind Sie auf dieses Thema aufmerksam geworden?
Julie GLASSBERG: Es war mein erstes Jahr in New York und ich versuchte, eine andere Subkultur zu dokumentieren. Das klappte nicht so gut, und dann erwähnte jemand den Black Label Bike Club und Tall-Bikes. Natürlich war ich sehr neugierig und begann zu recherchieren. Ich entdeckte eine verrückte Welt, die mich sofort in ihren Bann zog. Ich sah auch einen Film aus den 90er Jahren mit dem Titel B.I.K.E aus den Anfangsjahren des BLBC. Ich interessierte mich sehr für diese rebellische Jugend, die keine Regeln kannte, sich dem gesellschaftlichen Druck widersetzte, einem bestimmten Lebensweg zu folgen, und sich ihre eigene Freiheit schuf - ich musste mehr wissen.
Wie sind Sie vorgegangen, um sie zu finden?
JG: Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um sie zu finden! Ich dachte, derjenige, der mir von ihnen erzählte, kenne sie, aber er hatte sie nur mit ihren großen Fahrrädern herumfahren sehen. Nach langer Recherche und dem Versuch, einige Clubmitglieder zu erreichen, wurde ich schließlich in eine Bar in Brooklyn eingeladen, wo sie sich eines Abends trafen. Zunächst waren sie nicht begeistert von der Idee, dass ich sie dokumentieren sollte. Außerdem hatten sie schon einmal schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht. Aber ich war nicht die Medien. Damals war ich nur ein Student, der auf eigene Faust unterwegs war und kein bestimmtes Ziel hatte, außer ihre Welt zu entdecken. In dieser Nacht lernte ich Paul kennen, der mich am folgenden Wochenende zu seinem Geburtstag ins Chicken Hut (HQ) in Brooklyn einlud. So fing alles an. Auf seinem Geburtstag machte ich mein erstes Foto und lernte Stinky kennen, der dann mein Hauptansprechpartner wurde und mir half, das Vertrauen der Gruppe zu gewinnen.
Was für Leute hast du bei den "Bike Kill"-Veranstaltungen kennen gelernt?
JG: Alle möglichen Leute! Das ist es, was diese Veranstaltungen so großartig macht. Sie sind nicht für eine bestimmte Klasse oder einen bestimmten Stil reserviert. Natürlich gibt es die Mitglieder der verschiedenen Fahrradclubs, aber man trifft auch Studenten, Künstler, normale Leute, Zuschauer, Kinder: Es ist für alle offen. Das passt zu ihrer Philosophie, dass Spaß kostenlos und zugänglich sein sollte.
Wie sieht eine typische Bike Kill-Veranstaltung aus?
JG: Am frühen Nachmittag kommen die Kinder mit ihren Eltern, um die verrückt gebauten Fahrräder auszuprobieren, dann folgen ein paar Fahrradspiele und Tanzen, und schließlich wird die Veranstaltung mit einem Ritterturnier abgeschlossen. Es ist sehr chaotisch, und überall fliegen unidentifizierte Objekte herum. Die Musik dröhnt, die Leute haben Spaß. An diesem Tag ist jeder ein Kind: Es gibt achtjährige Kinder, 15-jährige Kinder, aber auch 25- bis 30-Jährige und mehr! Es gibt keine Sorgen. Alle leben den Augenblick.
Haben Sie noch Kontakt zu den Leuten, die Sie dort getroffen haben?
JG: Ja, natürlich. Ich habe mehr als drei Jahre mit ihnen verbracht, so dass einige Leute meine Freunde wurden, einige wurden sogar enge Freunde. Der Kern ihrer Philosophie hat sich nicht geändert. Ich sehe nur, dass einige wegziehen, um ihre eigene Familie zu gründen, andere bleiben in der Gemeinde und bauen ihre Familie auf. Aber letztendlich ist der Club selbst wie eine enge Familie, und selbst wenn einige nicht mehr so aktiv an den Aktivitäten teilnehmen, schauen sie doch regelmäßig vorbei. Das Leben spielt sich ab. Das war's schon.
Was haben Sie aus diesem Projekt oder sogar aus der Gemeinschaft selbst gelernt?
JG: Dieses Projekt war mein erstes Langzeitprojekt. Es hat mich viel gelehrt, sowohl als Mensch als auch als Fotograf; wie man eine Geschichte über eine Welt konstruiert, die ich unbedingt entdecken wollte; wie man seine eigene Wahrheit darüber festhält, wie ich die Dinge wahrnehme, ohne sich darum zu kümmern, wie andere denken, dass ich sie angehen sollte; und vor allem, wie man beharrlich ist. Das war die Grundlage für alles, was folgen sollte.
Es hat mir besonders viel Spaß gemacht, das Buch im letzten Jahr zusammenzustellen, als ich in Japan lebte. Endlich konnte ich die ganze Geschichte, die ich während meiner Zeit mit diesen Jungs erlebt habe, so erzählen, wie ich sie erzählen wollte. Es sind nicht mehr nur ein paar sensationelle Bilder. Jetzt kann ich eine tiefere Perspektive und einen intimeren Ansatz zeigen. Während meines Aufenthalts in Japan habe ich eine komplett handgefertigte Ausgabe gemacht, was an sich schon ein ganz neues Abenteuer war, und dieses Jahr werde ich mit Ceiba Editions an einer kleinen Handelsausgabe arbeiten, die im Herbst erscheinen wird." (Text: © Clara HERNANZ, in: 'Anarchische Fotos zeigen das Leben in einem Brooklyner Fahrradclub', Quelle: http://www.dazeddigital.com/art-photography/article/38780/1/julie-glassberg-bike-kill-anarchic-photos-black-label-bike-club-brooklyn)
Hintergrundinformation
"Anarchische Fotos zeigen das Leben in einem Fahrradclub in Brooklyn. Die Fotografin Julie GLASSBERG hat drei Jahre lang die engmaschige Welt des Black Label Bike Club dokumentiert. Wenn man bei YouTube die Worte 'Bike Kill' eingibt, bekommt man Hunde, Schmutz und zwielichtige Fahrräder zu sehen. Aber wenn Sie tiefer eintauchen, werden Sie feststellen, dass es um mehr geht als das. Organisiert vom Black Label Bike Club, einer in den frühen 90er Jahren gegründeten "Freak/Mutanten-Fahrrad-Organisation", ist Bike Kill ein jährliches Fest des Fahrradhackens, der Freundschaft und der Anarchie. Die Fotografin Julie GLASSBERG, die Zweigstellen in New York, San Francisco und Tokio unterhält - für alle Nomaden sogar "nirgendwo" - dokumentierte den BLBC in Brooklyn während ihres Studiums am International Center of Photography in Brooklyn im Jahr 2009.
Über einen Zeitraum von drei Jahren folgte sie "Stinky" und anderen Mitgliedern, um einen Einblick in die ausgefallene Fahrradkultur zu bekommen. Bike Kill" war jedoch kein typisches Fotodokumentationsprojekt. Um eine eng verbundene Gemeinschaft wie diese zu fotografieren, musste sie erst einmal eine Beziehung zu den Personen aufbauen. Die damalige Studentin freundete sich mit einem Mitglied der Szene an, der sie zum ersten Mal zu der jährlichen Veranstaltung mitnahm. Wie erwartet, war das Treffen des Clubs "chaotisch", und "überall flogen unidentifizierte Objekte herum". Irgendwie fangen GLASSBERGs Schwarz-Weiß-Fotografien, die jetzt in einem Buch zusammengestellt wurden, eine gewisse Zärtlichkeit inmitten des Fahrradchaos ein. Im Folgenden erzählt die Fotografin von der Gemeinschaft, in die sie eingedrungen ist.
Über die französische Fotografin Julie GLASSBERG
Fotobücher von Julie GLASSBERG
- Buchgestaltung
- Eva-Maria KUNZ
- Format
- Soft rubber cover, open spined pb., 17 x 22,5 x 1,5 cm., 158 pp., b/w ills., no text. Ltd. to 400 cipies