Persönliches Statement des belgischen Fotografen, Simon VANSTEENWINCKEL
"Für die einen ist die Neugierde der Katze Tod. Für andere ist sie eine der größten Qualitäten, die Essenz der Fotografie.
Während des Einschlusses habe ich mich gefragt, wie ich neugierig bleiben kann, wie ich weiter reisen, suchen und auf andere zugehen kann, wie ich mich weiterhin für Offenheit einsetzen kann, anstatt mich in mich selbst zurückzuziehen. Während ich in meinem Wohnzimmer eingesperrt war, öffnete ich ein Fenster zur Welt über Google Street View, ein unglaubliches Werkzeug, mit dem wir fast den gesamten Planeten bereisen können.
Die Pandemie stand im Mittelpunkt aller Gespräche, wie ein unsichtbares, aber allgegenwärtiges Monster. Und es kam von irgendwoher: Wuhan, wo alles begann, ist offenbar der Ursprungsort von Covid-19; diese ehemals weltweit wenig bekannte Stadt ist zum Sammelbecken aller Gerüchte geworden, die zufällig ins Rampenlicht geraten sind.
Die Bilder in diesem Buch habe ich während meiner virtuellen Streifzüge durch die Stadt direkt auf meinem Computerbildschirm fotografiert. Ich verwendete Washi F-Film, einen medizinischen Röntgenfilm, der ursprünglich zur Diagnose von Lungenkrankheiten verwendet wurde. Zufällig bemerkte ich, dass der Blitz meiner Kamera, der sich auf dem Bildschirm spiegelte, einen leuchtenden Halo erzeugte, der über der Stadt und ihren Bewohnern schwebte wie ein beobachtender Stern.
Mir gefällt die Idee, ein Werkzeug zu missbrauchen, ein persönliches und deformiertes Röntgenbild eines Ortes zu entwerfen, das wie eine phantasierte und poetische Version davon wirkt, eine verzerrte Vision, die aber auch eine gewisse Form von Exorzismus darstellt". (© Simon VANSTEENWINCKEL)
Hintergrundinformation, Inhalt
'Wuhan Radiography' des belgischen Fotografen Simon VANSTEENWINCKEL ist ein überraschendes Buch über eine Serie von schwarz-weißen Silberbildern. Schon auf den ersten Seiten kommen Zweifel auf... Die Bilder wirken real und doch gespenstisch. Sie sind schön, überbelichtet, manchmal verstrahlt. Es scheint, dass der Fotograf einen bestimmten Film verwendet hat. Ein Filter oder ein Hochglanzfilm? Die Illusion ist total und unbeschreiblich. Die Szenen des Lebens, die Orte und die städtischen Charaktere sind geheimnisvoll, als wären sie zwischen zwei Universen eingefangen, eingefroren zwischen Tag und Nacht. Hier und da schwebt ein leuchtender Heiligenschein über der Stadt, wie ein beobachtender Stern. Durch seine rätselhafte Arbeitsweise schafft der Fotograf eine beunruhigende Demontage unserer Vorannahmen. Wir wissen nicht mehr, wo wir sind. Die Stadt ist in der Tat die Stadt Wuhan, die heute weltweit bekannt ist. Aber war das vor oder nach der Pandemie? Wann hat sich der Fotograf dorthin verirrt? War er jemals dort?
Der Text des französischen Philosophen und Dichters Johan Grzelczyk, der die Bilder begleitet, lässt uns nach und nach in diese künstliche und glitzernde Nacht gleiten. Seine Worte sind miteinander verknüpft, gebrochen, in den Schatten verborgen und stellen unsere Art und Weise in Frage, eine treibende Welt zu bevölkern. Die dystopische Atmosphäre hinterfragt unsere Bewegungsfreiheit in einem Land, in dem es keine Entfernungen mehr gibt, verkürzt durch die Technologie, in dem der Nebel bereits vergessene Landschaften einnimmt. Wie ein Echo von Chris Markers 'La Jetée' nimmt uns dieser Fotoband 'Wuhan Radiography' von Simon VANSTEENWINCKEL mit auf eine Reise zur Entdeckung einer fernen, seltsam vertrauten Stadt, die unter der Bedrohung durch eine riesige Sonne den Atem anhält. Sie ist ein Echo auf unseren Widerstand, unsere Fähigkeit, uns neu zu erfinden und neue Wege zu finden, die Stadt zu bewohnen. (© Lightmotiv 2022)