Hintergrundinformation
"Dieter KELLER war vor und während des 2. Weltkrieges eng mit Künstler:innen der Neuen Sachlichkeit und des Bauhauses befreundet. Der über viele Jahre gepflegte Kontakt zu Willi Baumeister, Alexej von Jawlensky, Ida Kerkovius und eine in über 90 Briefen belegte Freundschaft mit Oskar Schlemmer formten sein künstlerisches Sehvermögen und beeinflussten seine fotografischen Bildkompositionen wesentlich. 1941/42 war er als deutscher Soldat im Grenzgebiet zwischen Ukraine und Weißrussland stationiert. In dieser Zeit gelang es ihm trotz eines strengen militärischen Verbots, Zivilisten und Kriegsopfer zu fotografieren, mehrere Filme heimlich zu belichten und nach Deutschland zu schmuggeln. Er fotografierte mit einem sowjetischen Leica-Nachbau, einer sogenannten Fedka. Nach dem Krieg entwickelte er die Kleinbildfilmrollen in seinem Haus in Stuttgart-Vaihingen und fertigte 201 Vergrößerungen als Unikate an. Die auf der Trägerbasis Nitrocellulose hergestellten Negativfilme verbrannten 1958 durch Selbstentzündung.
Er nutzte sehr früh die Mittel der seriellen und informellen Fotografie und erzeugte filmisch anmutende Bildsequenzen, um eine subjektive Realitätserfahrung anzuregen. Die fotografische Übertragung von Bildern der Grausamkeit und apokalyptisch anmutender Zerstörung in abstrahierende und formale Bildkonstruktionen führt daher bei ihm nicht zu dem gewohnheitsmäßig emotionalen Verflachungs- und Abstumpfungsprozess dokumentarischer Fotografie, sondern intensiviert die subjektive Betroffenheit.
Inhalt
Auch nach heutigen Maßstäben folgt Dieter KELLER im vergriffenen Fotoband 'Das Auge des Krieges. Ukraine 1941/42' einer modern anmutenden Bildästhetik, die einerseits der Prägung durch seine Künstlerfreunde zu verdanken ist, andererseits aber auch deutlich macht, dass der künstlerisch geschulte Fotograf der Bauhauszeit die ästhetische Wahrnehmung generell als Schlüssel zur Realitätsverarbeitung und psychischen Bewältigung zu nutzen wusste. Insofern fügen sich seine verstörenden Bilder von Kriegsgräueln an der Zivilbevölkerung in die europäische Bildtradition von Kriegsdarstellungen ein, wie sie durch die Schreckensbilder von Hieronymus Bosch, Francisco de Goya oder Otto Dix geprägt wurde. Seine Aufnahmen zeigen – neben Landschaft, Dörfern und Personen aus der einheimischen Bevölkerung – vor allem die Zerstörungen des Krieges, die deformierten Körper gefallener Soldaten und toter Zivilisten sowie Tierkadaver. Dieter Keller benutzt die Mittel der seriellen Fotografie, um filmisch anmutende Bildsequenzen zu erzeugen.[14]" (© Buchkunst Berlin, 2020)
Rezeption
Stefan Sauer, Rezension von: Dieter Keller, Das Auge des Krieges/The Eye of War. Ukraine 1941/42. Hrsg. von/Ed. by Norbert Moos, Berlin: Buchkunst Berlin 2020, in: Militaergeschichtliche Zeitschrift, Band 80, Heft 2, 10. November 2021, © 2021 Walter de Gruyter
Über den Fotografen Dieter KELLER (1909-1985)
Fotobücher von sowie mit Arbeiten von Dieter KELLER
- FotografIn(nen)
- Dieter KELLER, DE
- Hrsg./Autor(en)
- Adam Broomberg, Xiaofu Wang, Dr. Norbert Moos (Texte), Dr. Norbert Moos (Hrsg.)
- Buchgestaltung
- Ana DRUGA & Thomas GUST, DE
- Format
- Leinen Gebundene Ausgabe ohne Schutzumschlag (wie publiziert), 24,5 x 20,5 x 2,5 cm., 118 S. + Faltseiten, 88 Abb. in S/W im Tritonverfahren
- Sprache(n)
- zwei-sprachige Texte: Englisch / Deutsch
- Erscheinungsjahr
- 2020
- Verlag
- Buchkunst Berlin
- Details zur Auflage
- Erstauflage